Ein Metallgestänge an dem wie unsichtbar aufgehängt eine Handvoll Gegenstände baumeln: ein Kittel, ein halbiertes Schaukelpferd, ein rostiger Schlauchwagen, Plastiktüten; auf dem Boden alte Emailleschüsseln und ein Paar Schuhe…
der müllartist bittet herein: das Publikum, das ihn von drei Seiten aus beäugen kann, nimmt er mit auf eine absurde Reise. Denn eigentlich will er ja von Müll und Abfall erzählen – doch überall lauern Ablenkungen, von denen er sich auch gerne verführen lässt. So verwandelt sich der müllartist ständig in andere Figuren: wird zum gelben Superman oder zum Bibabutzemann, schlüpft in den Kittel eines kauzigen Hausmeisters, versucht sich mal als autoritärer Ordnungsbeamter und spielt den gierigen Einkäufer ebenso wie den lauten Verkäufer. Und streift in einem Universum des Haben-Wollens umher…
Inspiriert hat uns für die Gestaltung des Stückes die Kunst der Dadaisten der zwanziger Jahren – insbesondere die Merzkunst von Kurt Schwitters: der unvoreingenommene Umgang mit alltäglichem Material, mit Kostümen, mit Figuren ist das Besondere des Stückes – die Dinge bedeuten nicht etwas Bestimmtes, das es zu enträtseln gilt. Das Spiel ist einfacher: es geht um das neugierige Erforschen dessen, was diese Dinge bedeuten könnten. Der absurd-komische Umgang mit den Spielmaterialien schliesst die Sprache vergnügt mit ein: der Vortrag aus dem Abfallkalender endet im rasanten Klanggedicht, die Bemühungen mit Plastiktüten und Stoffbeuteln werden zum Lied, Schwitters Niesgedicht hat ebenso seinen Platz wie der lautmalerische, ironische Umgang mit typischem Verkäufer-Singsang…
Auf fast anrührende und augenzwinkernde Art und Weise gelingt es dem Spieler, die Brücke zwischen dem grossen/kopflastigen Thema Umwelt und den Spielformen des Dadaismus zu schlagen. Heraus kommt dabei kein klassisches Umweltstück mit pädagogisch geschickter Kinderbelehrung in Sachen Umwelt, Konsum und Mülltrennung. Vielmehr transportiert der müllartist ganz subtile Fragen nach Wert und Nicht-Wert, nach Sinn und Unsinn in unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft. In seiner frechen Art gelingt es dem Stück, das Publikum sowohl für die inhaltlichen Fragestellungen zu sensibilisieren als auch die Wahrnehmung anzuregen.
Radikal und konsequent entzieht sich der müllartist klassischen theatralen Deutungsmustern. So wird das Publikum auf die eigenen Sinne zurückgeworfen, muss sich zu eigenen Assoziationen beflügeln lassen, selber denken und fühlen. Das aber fällt durch das anregende Spiel des Müllartisten leicht: er verführt ebenso zum lauten Lachen wie zum stillen Staunen. Er lässt die Poesie der kleinen Dinge ebenso lebendig werden, wie verblüffend grosse oder schrille Bilder im Bühnenraum.
Das Stück erzählt davon, wie man im verrückt-verschrobenen phantasievollen Spiel einen sinnlichen Umgang mit Materialien und eine neue Art von Geschichten entdecken kann. Und dazu angeregt wird, sich mit dem eigenen Verhältnis zu Dingen, zu ihrem Gebrauchswert und mit dem eigenen Konsumverhalten zu beschäftigen.
von und mit
Joachim von der Heiden
mit Texten von
Kurt Schwitters | August Jandl
Inszenierung | Bühnenraum | Ausstattung
Joachim von der Heiden
Dramaturgie
Julia Zeh
eine Auftragsproduktion für das NRW-Umweltministerium
Dauer
60 Minuten
ausgewählt
Internationales Straßentheaterfestival, Holzminden, 2015
Europäisches Straßentheaterfestival Bildstörung, Detmold, 2008
Kindertheater des Monats 1999, NRW
3. bundesweites Umwelt-Theater-Festival, 1999
Spielarten 1998, NRW
Starke Stücke 1998, Hessen
NÄCHSTE VORSTELLUNGEN
PRESSESTIMMEN
Heike Schuster | NPZ | 30. Oktober 1998
Theater mit Phantasie und nassen Socken
Einfach hineinstürmen und sich den besten Platz sichern – die eifrigen Mädchen und Jungen in der Düsseldorfer „Freizeitstätte Garath“ werden gebremst. Beim Kindertheater der müllartist gehört der Einlass mit zum Spiel: Solodarsteller und Regisseur Joachim von der Heiden verteilt die Zuschauer selbst auf die Plätze, sortiert nach roten Pullovern und blauen Hosen.
Kinder wie Eltern reagieren überrascht, die Spannung steigt: “Wann darf ich endlich rein?”, fragt ein Dreikäsehoch mit bunter Jacke. Drinnen ein weißes Spielfeld, eingezäunt von Metallstangen. Von drei Seiten können die Bewegungen des Schauspielers verfolgt werden – und der ist ständig in Aktion: Zieht sich an und aus, läuft mit den Socken durchs Wasser und hängt sich mitsamt seinem T-Shirt zum Trocknen auf.
Eine richtige Handlung? Die gibt es nicht, der müllartist zeigt kreatives Stehgreiftheater: Improvisation gehört dazu. “Ich reagiere darauf, was die Kinder sagen – oder mache bewusst das Gegenteil“. So wird empörtes Schreien, lautes Lachen oder auch mal stilles Staunen bei den Kleinen provoziert.
Einem Auftrag des Umweltministeriums NRW verdankt diese Produktion des Kölner Theaters monteure ihr Entstehen. Dass es dabei um Müll und Konsum geht, merkt der Zuschauer nicht auf Anhieb: Hier wird nicht gelehrt, wie man Abfall richtig beseitigt, sondern wie man mit Dingen vom Sperrmüll – einem abgesägten Schaukelpferdkopf oder ein paar alten Schüsseln mit Hilfe der Phantasie etwas Neues kreieren kann.
Wenn der müllartist scheinbar sinnlose Worte in den Raum wirft (eigentlich sind es Gedichte von dadaistischen Künstlern wie Kurt Schwitters), sind die Erwachsenen ratlos. Die Kinder dagegen fangen an zu rätseln. Während er „vom vom“ und „zum zum“ vor sich hinmurmelt, läuft von der Heiden auf seiner Bühne hin und her – und plötzlich ruft ein Mädchen „Vom Schuh zum Schlauch“ – sie hat eine Verbindung zwischen dadaistischem Gebrabbel und den Bewegungen des Artisten geschaffen.
„Mit diesem Stück wollen wir uns vom üblichen Kindertheater abheben. Wir wollen keine Kids, die nur das konsumieren, was ihnen vorgekaut wird.“, so Joachim von der Heiden. Wie für die Freizeitstätte Garath war es auch für das Rondell in Oberkassel ein Experiment, den Müllartisten am vergangenen Freitag auftreten zu lassen: Wir bieten etwas außerhalb der eingefahrenen Gleise. „Auch wenn die Kasse nicht klingelt, ist dieses Wagnis ein Erfolg“, sagt Peter Leyendecker vom Rondell.
Am Schluss des Stückes stehen auf der Bühne Tüten mit sauber sortiertem Abfall: Das, was der Artist eben noch für sein Spiel gebraucht hat, landet einfach im Müll: Ein Sack mit blauen Stöpseln, ein Sack mit Puppenköpfen, selbst Wasser und Kleidung werden entsorgt. So steht der müllartist am Ende halb nackt da – ausgezogen von Konsumwut und Wegwerfgesellschaft.
Karin Rohr | Deister und Weserzeitung | 08. Mai 1999
Eine Dada-Reise ins Land der Phantasiei
„Müllartist. Müll. Artist. Müllart. Artist. Müll“. Art ist Müll!? Schon zum Auftakt kam’s Dicke
beim Theaterstück der müllartist, mit dem die Theater monteure aus Köln gestern gleich zweimal im Hamelner TAB gastierten. Dada für Kinder. Zum Zuhören, Zusehen, Mitmachen. Zum Sichfreuen oder Ärgern. Auf jeden Fall Theater, das keines der Kinder zwischen drei und elf Jahren kalt ließ – egal, ob sie’s „langweilig“ oder „blöd“ fanden, oder vor Begeisterung heiße Wangen bekamen.
Spiel im Spiel – ohne roten Faden, Vernunft und Logik, fertige Antworten oder Rezepte. Stattdessen: Spontan-Kunst, die völlig unsinnig an die Sinne appelliert und die Lust am Assoziieren schürt – mit Bilder-Rätseln und RätselWörtern. Der Mittler: ein clownesker Mime, der mit zerstreut wirkender Sprunghaftigkeit jeder Ablenkung folgt, dem Spiel immer wieder neuen Drall, Vieldeutigkeit und eine eigene Dynamik gibt. Für die einen, ein Typ, der „auf den auf den Kopf gefallen“ ist, für die anderen ein Artist, ein Jongleur mit Worten und Dingen, dessen scheinbar sinnloses Agieren durchaus zielgerichtet war und von den Jüngsten im Saal am schnellsten und besten aufgenommen wurde. Im Zusammenspiel mit Joachim von der Heiden avancierten sie zu engagierten Mitakteuren.
Von den Dadaisten der 20er Jahre, insbesondere von Kurt Schwitters und seiner Merzkunst inspiriert, wurden zu Klang- und Niesgedichten, Lautmalereien, Wortfetzen und ironischen Sprachspielen Dinge des Alltags ins Rampenlicht gerückt: Der Abfallkalender etwa, oder die Köpfe von Kasperle-Figuren, Tragetaschen, Mülltüten, wassergefüllte Schalen, gelbe Gummiklotten, ein Hausmeisterkittel, der Kopf eines Steckenpferds, ein Schlauch mit Drehtrommel, nasse Socken und vieles mehr. Wegwerfprodukte unserer Konsumgesellschaft, mit denen sich herrlich spielen lässt, wenn man nur ein bisschen Phantasie besitzt.
Joachim von der Heiden erweckte diesen ganzen „Müll“ zu neuem Leben, schmiss ihn durcheinander, arrangierte ihn neu, verpackte ihn nach Farben getrennt in Abfallsäcken – und mit ihnen seine subtile Botschaft vom Sinn- und Unsinn unserer Wegwerfgesellschaft mit ihren Wert und Nichtwert-Kategorien.
Eine mit Spaß am Spiel inszenierte Dada-Reise ins Land der Phantasie, die in absurder Komik poetische und schrille Momente verschmolz, schöpferische Kräfte freisetzte, aufregend und anregend zugleich war.
Eva Bartylla | Nordbayerischer Kurier | 20. Juni 2000
Müll-Art mit Schlauchaufroller
Was so klingt wie kindisches Gestammel, was sich anhört wie dummer, unzusammenhängender Nonsense, birgt in Wirklichkeit eine geballte Ladung an Überlegung, Hintergrund und Pflichtbewusstsein. Joachim von der Heiden vom Tourneetheater monteure aus Köln packte am Wochenende im Lindenhof mit seinem dadaistischen Schauspiel-Solo der müllartist die vielen kleinen und großen Zuschauer so richtig derb und professionell feste bei den Lachmuskeln und bei den Gehirnwindungen. Ein fast unwillkürlicher Umgang mit alltäglichem Material in völlig andere Zusammenhänge gebracht, versetzte schrill in Staunen, manchmal Entsetzen und meistens poetisches Vergnügen.
Dada nennt sich die Kunstrichtung, der Kurt Schwitters oder Ernst Jandl in Deutschland ihren Stempel aufgedrückt haben. Der Dadaismus, eine nach dem Ersten Weltkrieg hochpolitische Reaktion auf die Hohlheit und Unsinnigkeit vordergründiger Ordnungen und Begrifflichkeiten, verkündete eine schrankenlose künstlerische Anarchie mit antibürgerlicher Tendenz. Zugleich übernahmen seine Verfechter mit ihren scharfzüngigen Wortspielen, den Sprachverdrehungen und inhaltlichen Anspielungen antipodisch die Verantwortung gegen das angeprangerte Missverhältnis in Denken und Handeln. Um Verantwortung geht es auch in dem Müllartisten, der sich gleich zu Beginn der Vorstellung im Innenhof des Umwelt-Informationszentrums an der Karolinenreuther Straße als Renner für die Kinder erwies, die ohne Zögern in eine lebhafte Interaktion mit dem Spieler traten: spontan, aufgeweckt, pfiffig und anregend. Viele von ihnen hatten gerade erst ihre eigene erste Bühnenerfahrung hinter sich gebracht und in einem Stück mitgewirkt, das als Ergebnis eines Umwelt-Theater-Workshops kurz zuvor aufgeführt worden war. Und von der Heiden antwortete ihnen auf seine Weise durch leichte Veränderung des Konzepts, mit Mimik oder verbal. Einem Auftrag des Umweltministeriums von Nordrhein-Westfalen verdankt die Produktion des Kölner Theaters ihre Entstehung. Es geht um Müll, um scheinbar wertlos gewordene Dinge in einer Wegwerfgesellschaft, um Aus-der-Mode-Gekommenes und unbrauchbar Gewordenes wie alte Kasperlköpfe, einen Gartenschlauchaufroller, den abgebrochenen Kopf eines Schaukelpferdes oder alte Emaillewaschschüsseln aus Omas Zeiten.
Von der Heiden bringt sie in neue Zusammenhänge, jongliert frech mit Worten und Begriffen, setzt naseweis Assoziationsketten in Gang, kommuniziert in dreisten Sprechblasen mit seinem Publikum, entblößt sich unverfroren des scheinbar Notwendigen und beweist spöttisch am Ende: Alles ist Müll. Oder etwa gar nichts? Achtung, nicht die Art des Sortierens ist wichtig, sondern die der Wahrnehmung der Welt hinter den Dingen.
Für Erwachsene ab drei Jahren sei das Stück geeignet, begrüßte er das Publikum. Sie werden vom „Vom“ zum „Zum“ sicher geführt, und nur mit Hilfe ihrer Fantasie verwandelt sich eine Schüssel in einen Swimmingpool.
Hanna Styrie | Kölnische Rundschau | 07. Juli 1999
Kasperle aus der Tüte gezaubert
„Heute kein Märchen“, verkündete unmißverständlich der Mann mit der stoppeligen Igelfrisur und dem grauen T-Shirt. Die großen und kleinen Zuschauer, die sich zur ersten Open-air-Veranstaltung des Programms Sommer in Hürth im lauschigen Innenhof der Corrensmühle in Gleuel eingefunden hatten, erwartete auch kein Puppentheater oder Singspiel, wie Joachim von der Heiden gleich darauf erklärte.
der müllartist des Theaters monteure, im Auftrag des Umweltministeriums NRW entstanden, ist ein augenzwinkernd witziges Spiel um Sauberkeit und Umwelt, mit Sprache und Gestik in bester dadaistischer Tradition. Eine Stunde Unterhaltung, die mit einer braven Pflichtübung in Sachen Umweltschutz rein gar nichts gemeinsam hatte.
Mit minimalen Mitteln, dafür aber einer gehörigen Portion Phantasie und reichlich Improvisationstalent, entfaltete sich ein Spiel mit eigener Logik, an dem die Kinder zunehmend ihren Spaß hatten. Ein paar Kleidungsstücke und eine Handvoll Gegenstände vom Sperrmüll, die von einem Metallgerüst herunterbaumelten, reichten Joachim von der Heiden für eine Folge von witzigen, überraschenden und verblüffenden kleinen Szenen.
Die Texte von Kurt Schwitters und Ernst Jandl mit ihren zahlreichen Verdrehungen und Wiederholungen und ihrer eigentümlichen Sprachmelodie wirkten auf die Knirpse keineswegs befremdlich, vielmehr machten sie sich einen Spaß daraus, Worte und Silben zu ergänzen. Die kessen Bemerkungen und gelegentlichen Regieanweisungen der kleinen Theaterbesucher erhöhten das Vergnügen an Joachim von der Heidens Nonsensaktionen beträchtlich.
Als Müllartist verwandelte er sich in einen Hausmeister mit grauem Kittel und einen Bibabutzemann in gelbem Plastik. Zugleich erweckte er die diversen Requisiten zu neuem Leben: Aus Emailleschüsseln wurden Swimmingpool und Pippibecken, die Kabeltrommel mit einem Rest von einem Gartenschlauch musste für diverse Spielchen herhalten und aus einer Tüte zauberte er Kasperleköpfe, die er sich auf Finger und Zehen steckte. Die Plastikverschlüsse von Flaschen stopfte er sich in Augen und Mund, um sie anschließend wieder auszuspucken.
So ergab sich ein Spiel aus dem anderen, bis es am Schluss dann doch fast Ernst wurde. „Haben sie heute schon etwas für die Umwelt getan“, skandierte er einen Werbespruch, der eine Plastiktüte zierte und zog dabei einen Beutel aus dem anderen, um ihn als das zu entlarven was er ist: Müll nämlich. Eine Tüte für die Tüte, lautete das Fazit und anstatt die Mülltrennung zu propagieren, spürte der Müllartist ihre absurden Auswüchse auf, indem er sein Spielmaterial säuberlich nach Farben ordnete und in Plastiktüten verstaute. Da stellte sich am Ende der rundum erquicklichen 60 Minuten nur noch die Frage, wie man eine bunte Badehose entsorgt.
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