hier bin ich
Performance. Tanz. Musik. Spielraum. Sein.
für Jugendliche ab 12 Jahren
„Hier bin ich.“ – Das sagt sich leicht. Aber, sobald man darüber nachzudenken beginnt, eröffnet sich ein ganzer Kosmos: Wo ist das Hier, an dem ich bin? Bin ich dort gerne? Hab ich den „richtigen“ Platz und genügend Raum für mein Ich? Und dieses Ich, wie fühlt es sich an, wenn es auf die Blicke von anderen trifft? Wenn es sich plötzlich und ungefragt einem Du gegenübersieht. Ein Moment des Innehaltens – und dann? Wie wird aus diesem Ich und Du eine Begegnung? Und wie komm ich da wieder raus? Selbstbehauptung gegenüber anderen beginnt oftmals damit, sich selbst und den eigenen Platz zu kennen. Das ist nicht unbedingt ein leichtes Unterfangen – dabei kann es durchaus Spaß machen, die eigene Position zu finden und selbst zu kreieren.
In hier bin ich spielen eine Tänzerin, ein Musiker, eine Schauspielerin, ein Bildender Künstler und ein Regisseur mit komischen wie existentiellen Verwirrungen. Die fünf Performer lassen bei ihrer Suche nichts unversucht, erleben die Last und Lust an der eigenen Positionierung, finden neue Perspektiven und überraschende Neuorientierungen – und entdecken ganz nebenbei, dass Fantasie, Bewegung und Spiel ganz neue Räume für das eigene Dasein schafft.
hier bin ich ist als Performance für drei Schulklassen konzipiert. In diesen Klassen erleben die SchülerInnen zeitgleich in zwei Schulstunden ein Theater, das über einen normalen Theaterbesuch weit hinausreicht:
– Das Theater findet in ihrem Lebensraum statt: Die Normalität des täglichen Ablaufs erfährt eine Unterbrechung, eine Wendung. Etwas Unerwartetes geschieht – die Neugier, die Konzentration und die Wahrnehmung werden unter Spannung gesetzt.
– Hier gibt es keine räumliche Trennung zwischen dem Vorspielen und dem Zuschauen: Diese Performance wirkt direkt, die Spieler suchen den Kontakt, es entstehen Augenblicke – Theater kann als lebendiges und interaktives Ereignis erlebt werden.
– Es gibt keine Bühne, kein Licht, keine Technik, alles bleibt wie es ist. Es gibt nur den Umgang mit den Gegenständen, Möbeln und mit den SchülerInnen selbst, die sich in ihrem Raum befinden. Zumutungen und Grenzauslotungen provozieren Reaktionen und Fragestellungen.
– Die SchülerInnen lernen etwas Fremdes in dem ihnen bekannten Raum kennen: Sie erleben hautnah die verschiedenen Kunst-Sprachen: Tanz, Schauspiel, Musik und Bildende Kunst. Sie erleben auch, wie Theater entsteht und Sinn stiftet.
Der Entscheidung, diese Performance in Schulen zu spielen, liegt unsere Überlegung zugrunde, die Suche nach dem eigenen Ich, dem Hier und dem Sein nicht nur zum Thema der Performance zu machen. Wir möchten den Jugendlichen direkt einen Impuls geben, sie zu eigenen Versuchen und zur Suche, zu Frage-Stellungen, zum Ausprobieren unterschiedlicher Ausdrucksformen animieren.
Jede Schule ist anders. Daher wird auch jede Aufführung anders sein.
von und mit
Jennifer Hoernemann | Tänzerin
Britta Lieberknecht | Tänzerin
Karoline von Lüdinghausen | Schauspielerin
Daniel Hoernemann | Bildender Künstler
Axel Lindner | Musiker
Joachim von der Heiden | Performer
Premiere
11. November 2010
Gesamtschule Holweide, Köln
Dauer
90 Minuten
Regie
Joachim von der Heiden
Choreografie
Britta Lieberknecht
Jennifer Hoernemann
Musik
Axel Lindner
Raumkonzept
Daniel Hoernemann
Kostüme
Nina Hempel
Beate Nietzel | Allgemeine Zeitung | 24. Juni 2011
Kichern müssen sie immer wieder, erstaunt die Köpfe drehen. Legt sich da doch eine Frau im grauen Overall einfach so quer über ihren Tisch im Klassensaal. Schweigend rückt sie ganz dicht heran an die Jungen und Mädchen, blickt direkt in die Augen. „Na, was machst du jetzt?“, scheint sie zu fragen. Da fegt ein Geiger in den Raum, springt aufs Lehrerpult und malträtiert sein Instrument in Rockstar-Manier – inklusive einschlägiger Pose. Die Siebtklässler lachen. Um dann gleich wieder in Verblüffung zu geraten, wenn der nächste schweigsame Mime sich wie selbstverständlich auf Philips Füße stellt oder den Schnürsenkel eines Klassenkameraden am Tischbein festknotet. Ein großer Schlaks kommt herein, schlendert mit herausfordernder Miene und gekreuzten Armen durch die Reihen. Eine blonde Frau dagegen trippelt scheu und unsicher lächelnd einher, ihre große, dunkelhaarige Mitspielerin dagegen schlägt unvermittelt ein Rad auf dem Boden.
„Witzig, spannend und auch seltsam“ finden Marcus, Philipp und Jannis wie auch alle Übrigen das, was sich da während zweier Schulstunden abspielt. Und genau das ist die Absicht der Fünfertruppe, die durch Schulflur und Klassenzimmer fegt, wo sich sämtliche Siebtklässler der Realschule plus auf die Räume verteilt haben. hier bin ich heißt die Performance des theater monteure aus Köln, die jetzt in Nierstein Station machte und auch im Herbst mehrfach in Rheinland-Pfalz auf Tour ist. Jede Klasse sieht die gleichen Szenen, das gleiche Stück, aber in unterschiedlichen Abläufen und Variationen. Und wer eine Weile zuschaut, erkennt die unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Rollenverhalten von Heranwachsenden, wie sie im sozialen Gefüge des Schulalltags überall zu finden sind.
Der Macker, die Scheue, der Kasper, die Zicke – alle tauchen sie auf in dem Theatererlebnis, mit dem monteure genau dahin gehen, wo junge Leute lernen, ihre Positionen zu bestimmen, aber auch mitunter infrage stellen. Der Klassenraum wird zur Bühne, die Normalität des Schulalltags – die unmittelbar vor den Ferien zwar ohnehin etwas ausgefasert ist – wird unterbrochen. hier bin ich sei ein Stück über Platz- und Blickwinkel, darüber, wie die Veränderung des Standortes und der eigenen Umgebung auch die Sicht auf sich und andere, auf die direkte Umwelt verändern könne – so beschreiben die monteure selbst ihr Projekt.
Britta Lieberknecht, Karoline von Lüdinghausen, Axel Lindner, Daniel Hoernemann und Joachim von der Heiden spielen als Tänzerin, Schauspielerin, Musiker, Bildender Künstler und Regisseur mit komischen und existentiellen Verwirrungen.
hier bin ich geht spielerisch damit um, sich in der eigenen Haut nicht ganz wohl zu fühlen, macht den Jugendlichen klar, dass dieses Gefühl ganz normal ist – ein Zwischenstadium, das dazugehört, wenn man seinen Platz zwischen anderen, mit anderen oder auch für sich allein finden möchte. Und übrigens: Gesprochen wird am Ende doch noch. „Ich bin hier, um dich zu sehen“, sagen die Künstler zu den Kindern. Und meinen jeden Einzelnen.
Klaus-Peter Müller | Rhein-Zeitung | 23. September 2011
Theater stand in dieser Woche auf den Stundenplan von drei 9. Klassen der Realschule plus in Birkenfeld. Beim Besuch der Schauspieltruppe im Klassenzimmer hatten die 15-Jährigen nicht nur einen Platz in vorderster Reihe sicher, am Ende von zwei Unterrichtsstunden fanden sie sich quasi auf der Bühne, nämlich mitten im Geschehen, wieder. hier bin ich heißt das Stück über wechselnde Standpunkte und unterschiedliche Blickwinkel, mit dem das Kölner theater monteure durch den rheinland-pfälzischen Kultursommer 2011 reist. Ein bisweilen verwirrendes Spiel, muss die 9c erfahren, die – gerade aus der Pause zurück – voller Erwartung auf ihren Plätzen harrt…
Die Tür öffnet sich. Eine junge Frau im schwarzen Overall tritt einen Schritt ins Zimmer, stutzt, schaut irritiert in die Runde und zieht sich leise wieder zurück. Gehört das schon zum Stück? Fragende Blicke nach links und rechts. Irgendwo ein unsicheres Lachen. Wieder öffnet sich die Tür: Selbstbewusst und mit grazilen Schritt tritt die nächste Akteurin ein, mustert die Runde und geht schon wieder sichtlich zufrieden ab. Nach Schauspielerin (Karoline von Lüdinghausen), Tänzerin (Britta Lieberknecht), dem jungen Mann mit der Geige (Axel Lindner) und einem gestreng dreinschauenden, tatsächlich aber nur um Ordnung und Ebenmaß bemühten Bildenden Künstler (Daniel Hoernemann) ist das Publikum gefordert: Nach „Begeisterung“ verlangt der bisweilen an einem Clown, bisweilen an einen Zeremonienmeister erinnernde Regisseur (Joachim von der Heiden).
Allmählich beginnen die ersten Zuschauer zu ahnen: Es geht in diesem merkwürdigen Stück um Menschen, die auf andere Menschen treffen, die unsicher sind, was sie von ihren Gegenüber und sich selbst zu halten sollen. Aber auch um Menschen, so zeigt sich bald, die sich von Auftritt zu Auftritt weiter entwickeln. „Warum bin ich hier?“, lernt der Geigenspieler, sich nicht nur mittels Instrument auszudrücken. Noch versuchen die Neuntklässler, derart existenzielle Fragen möglichst „cool“ zu kontern. Andere lenken (sich) ab: Ob der Große mit dem strengen Blick größer ist als Mitschüler Artur mit seinen knapp zwei Metern, wird getuschelt. Andere finden’s nur „doof“ und blättern unterm Tisch im Fußballmagazin. Doch die Tänzerin stellt den Stuhl beiseite, den sie wie ein Panzer vor sich hielt. Und der Musiker wechselt vom Blues, der ihn „on the road to Birkenfeld“ befallen hat, zum flotten Liedchen, in dem er die Englisch-Hausaufgaben für Montag vertont.
„Wie bist Du geworden, was Du bist? Und was willst Du mal werden?“ Das Spiel der existenziellen Verwirrungen geht zu Ende. Ein paar ganz Mutige aus der Klasse lassen sich beim Abschiednehmen sogar auf einen Händedruck und Berührungen mit den Schauspielern ein. Nur zögernd kommt der Applaus, als sich schließlich alle fünf monteure vor ihrem jungen Publikum verbeugen. Die 15-Jährigen kommentieren das Theater-Erlebnis recht unterschiedlich. Viele der Jungs fanden es einfach „witzig“ und sogar „voll cool“, die Mädchen fanden es eher „gruselig“. Saskia weiß nicht recht. Sie habe nichts kapiert, gesteht Dani auf Rückfragen. Und darf sich ob ihrer ehrlichen Antwort von der theaterbegeisterten Klassenlehrerin trösten lassen: Denkanstöße sind bisweilen wertvoller als eine gradlinig erzählte Geschichte.
SCHÜLERINNENSTIMME
Von der Homepage des Sankt-Adelheid-Gymnasium Bonn im Oktober 2021
Etwas irritiert sind sie schon, die Schülerinnen der neunten Klassen: Die Tür zum Klassenraum öffnet sich, eine ihnen unbekannte Dame schaut herein, geht wieder. Gehört das schon zum Stück? Was für ein Stück eigentlich? Dann der junge Mann mit der Violine. Schlendert musizierend im Klassenraum umher, stellt sich auf das Pult, holt sich ordentlich Applaus ab und verschwindet. Oder der lange Herr mit der Messlatte, der die Schultische herumdreht, die Latte darauf platziert und sehr lange aus dem Fenster starrt. Unsicheres Gelächter, ein paar provokante Kommentare seitens der Schülerinnen. Was soll das sein? Doch schon längst sind sie mittendrin in hier bin ich, dem Jugendstück des theater monteure, das am 7. Oktober 2021 bei uns gastierte.
Das Stück ist als Performance für drei Klassen konzipiert. Es findet aber nicht auf einer Bühne, sondern gleichzeitig in drei Klassenräumen statt. Alle Gruppen sehen die gleichen Szenen, nur zeitversetzt und – je nach Raum und Gruppe – mit unterschiedlichen Schwerpunkten. In ihrem bekannten Umfeld, ihrem Alltagsraum werden die Schülerinnen mit etwas Neuem, Unerwarteten konfrontiert. Mit Tanz, Schauspiel und Musik laden die fünf Performer sie ein, neue Perspektiven einzunehmen, das Ganze mal von oben oder schräg zu betrachten und so zum Nachdenken über sich und den eigenen Platz in der Gruppe zu kommen. Bin ich hier richtig? Wer bin ich für dich? Wie will ich sein? Was können wir miteinander? Mit seinem Stück will das Kölner Ensemble „den Jugendlichen direkt einen Impuls geben, sie zu eigenen Versuchen und zur Suche, zu Fragestellungen, zum Ausprobieren unterschiedlichster Ausdrucksformen animieren“. „Witzig, überraschend, irgendwie eigenartig, jedenfalls wirklich mal was ganz anderes“ fassten die Schülerinnen der 9b ihre Eindrücke am Ende zusammen. Die Irritation scheint im besten Sinne gelungen.
LEHRER*INNENSTIMME
Nina Rechner, Lehrerin an der Gesamtschule Holweide, Köln, nach einer Aufführung in drei 6. Klassen
Liebes theater monteure,
ich möchte mich noch einmal ganz herzlich für die wirklich großartigen Vorstellungen bedanken. Es war für mich ein ganz besonderes Erlebnis auf verschiedenen Ebenen. Wir Kollegen haben noch viel miteinander gesprochen und alle waren sehr begeistert. Schon oft habe ich mich gefragt, ob wir Theater für Jugendliche nicht neu erfinden müssen, wie wir sie berühren können. Es muss wild und laut sein dürfen, rau und emotional. Das soll nicht heißen, dass junge Menschen nicht lernen sollten, sich auch im Schauspielhaus adäquat zu benehmen und eine Aufführung in Ruhe zu genießen.
Die Aufführung von hier bin ich hat mir eine Antwort darauf gegeben. Ich habe meine Schülerinnen und Schüler zwei Stunden lang mit voller Aufmerksamkeit berührt, aufgewühlt, begeistert und mitgerissen erlebt. Ihr habt ihre, aus Unsicherheit entstehenden, verbalen und auch körperlichen Ausbrüche angenommen, aufgefangen und sorgsam verpackt an sie zurückgegeben.
Ich habe mich gefragt: Was hat uns denn alle so berührt?
Keine aufwendigen Kostüme, keine Requisiten, kein Bühnenbild, keine Storyline, keine Technik, kaum Text… Kein Versuch die Lebenswelt der Schüler zu kopieren und möglichst realistisch wiederzugeben, keine Kinonachahmung, all dies nicht – zum Glück und wie mutig. Wer hätte geglaubt, dass Jugendliche das begeistern würde.
Ihr habt uns in zwei Stunden allein mit eurer Präsenz auf der Bühne ganz unbemerkt auf den Kopf gestellt, die „Kategorien in die schändlichste Verwirrung“ gebracht. Nicht nur, dass Stühle und Tische nicht mehr Stühle und Tische waren. Nichts und niemand war für diese zwei Stunden der, die oder das, was er, sie oder es normalerweise ist. Ich erinnere mich am liebsten an die tiefen, lang anhaltenden Blicke, die ihr den Schülerinnen und Schülern geschenkt habt und den mit der Geige untermalten Gesang an unsere Ordnungsdienstschilder: „Verpackungsmüll runterbringen“. So hatte ich meine Klasse noch nie gesehen und gehört.
Auch für mich war es enorm anstrengend, meine Rolle in diesen zwei Stunden zu finden. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob es besser wäre, die Kollegen vorher zu informieren. Ich denke, es gibt keine allgemeingültige Antwort darauf. Für mich war genau diese Verunsicherung gut und fruchtbar.
LEHRER*INNENSTIMME
Petra Schankin, Lehrerin an der Hauptschule Altenkirchen, nach einer Aufführung in 9. und 10. Klassen
hier bin ich ist eine außergewöhnliche Performance. Die Aufführung übertrifft die Beschreibung des Stückes in dem Flyer des theater monteure bei weitem. Alles, was das Ensemble an Ein- und Ausdruck offeriert, wird sehr präsent, ruhig und dicht in den Klassenräumen gespielt und umgesetzt.
Das ist das Kernstück, dass die Schauspieler, Musiker, Tänzer im Klassenraum agieren. Sie rücken den Schülern sozusagen auf den Leib, konfrontieren sie mit Körpersprache, Bewegungen, Tönen und Worten, die so im Klassenzimmer noch nie gesehen oder gehört wurden, obwohl alles Gezeigte gerade dort zu finden ist.
Unsere Schüler waren irritiert und hellwach, sind der Darbietung gefolgt, haben mitgemacht und diese Theater-Begegnung genossen. Denn, obwohl das Thema „hier bin ich“ einen ernstzunehmenden, sozialen und psychologischen Tiefgang hat, macht die ganze Performance noch Spaß, gelacht wurde viel!
Am Ende waren die Schüler weitgehend überwältigt, an- und aufgeregt und haben die Begegnung mit den Akteuren genutzt, um die Sinn-Frage zu stellen.
Und hier ist wohltuend hervorzuheben, dass das theater monteure nicht mit der pädagogischen Keule arbeitet, sondern fein und subtil die Aufmerksamkeit, die Wahrnehmung und die Blickwinkel eines jeden Schülers auf das „hier bin ich“ richtet.
Die Schüler und die Lehrer der Hauptschule Altenkirchen waren daher einhellig der Meinung, dass sie bei dieser Vorstellung genau richtig waren.
THEATERSTIMME
Marco Süß, Leiter der Jungen Württembergischen Landesbühne Esslingen, nach dem Besuch einer Vorstellung von hier bin ich im Rahmen des Festivals Demokratie im Dialog – partizipative Modelle im Theater in der Schule im November 2013 in Dresden
Ein paar Gedanken zu einer Performance des theater monteure
hier bin ich gehört zu dem Beeindruckendsten, was ich in meinen Theaterlebensjahren an Theaterkunst erleben durfte. Ich schreibe jetzt Theaterkunst und nicht Performance wie in der Überschrift. Nicht nur, weil sich in dem Begriff Performance oft ein nur bemühtes Abgrenzungsanstrengen, eine fehlende Aufmerksamkeit für Qualität verbirgt. Sondern weil hier bin ich all meine Erwartungen an Theaterkunst erfüllt hat. Das Stück hat seine Zuschauer verwandelt, sie ein bisschen glücklicher gemacht, geheilt vielleicht, ein Stück Welt gegeben, ein Bewusstsein von Leben, eine Bedeutung auf der Welt zu sein. Wie bei Proust konnte man sich einbilden „man könne der Wirklichkeit den Zauber abgewinnen, den die Fantasie uns gewährt“.
hier bin ich lebt von einer sehr schönen Intensität. Man erlebt verschiedene Künstler, die ganz und gar in ihrer Sache aufgehen, mit ganzem Herzen und ganzem Körper dabei sind. Bei sich und bei ihrem Publikum, mit dem sie kommunizieren wollen. Sie verausgaben sich, das aber in einer großartigen Ehrlichkeit. Es werden keine Höchstleistungen in den Raum projiziert. Kein Sänger, der die höchsten Töne schafft, kein Tänzer, der besonders hoch hüpfen will, kein Star, der sich als seine Rolle spielt. Alle Künstler habe ich hundertprozentig erlebt, authentisch, so wie sie an diesem Tag, an diesem verregneten Novembermorgen eben waren. Das war spannend. Daraus entstand Kunst. Das genau ist hier bin ich.
Das Besondere dabei ist, dass das Ganze in der Schule passiert, im Klassenzimmer. Im Alltag der Zuschauer. An „meinem Platz“ – hier. Und da war hier bin ich plötzlich nicht nur, dass da Künstler waren, sondern dass ich da als Zuschauer war. Da? Hier. Ich konnte hier sein, ohne ein Über-Ich in irgendeiner Kunst-Form. Ich musste nichts leisten, mich nicht entwickeln, mich nicht beweisen, mich nicht verteidigen. Und mich nicht darstellen. Für das Zielpublikum, 12-jährige Schüler, war das auf andere Weise interessant als für mich, 40-jähriger Theaterleiter. Die Schüler konnten ohne pädagogische Ansprüche hier sein, mit sich etwas anfangen oder nicht, über sich nachdenken, sich fühlen, sich gegenseitig wahrnehmen. Und sie konnten das ohne, dass sie eins der „von-allein-verständlichen“ digitalen Angebote per Touch bedienen sollten. Sie mussten nicht in einem Buch aus Gesichtern um ihre Kommunikationskompetenz ringen. Sie kommunizierten. Mit den Künstlern und miteinander.
Das Besondere an hier bin ich ist die Investition, die die Leute von theater monteure hier machen. Die sie einfordern. An sich. An Kulturpolitik, die immer von kultureller Bildung spricht. An Bildungspolitik, die die kulturelle Bildung bei deren praktischer Umsetzung so weit hinten an setzt, dass keine Ressourcen dafür generiert werden können. An ein Theater in einer neoliberalen Gesellschaft der Selbstdarstellung, für die Kreativität als Waffe im Konkurrenzkampf umgewertet wurde. An ihr Publikum und vor allem dessen Vermittlern. Fünf Künstler haben ein Anliegen, und in der künstlerischen Recherche haben sie herausgefunden, dass ihre Bühne für dieses Anliegen ein Klassenzimmer sein muss. Also machen sie ein Klassenzimmertheater. Das finde ich großartig! Das unterscheidet sich von den Bemühungen der deutschen Theater, einen Schauspieler als Hausmeister zu verkleiden der so tut, als ob er eine Geschichte erzählen möchte. Das unterscheidet sie von dem unsäglichen Präventionstheater, das ignoriert, dass ein Mensch nicht Drogen nimmt, weil er nicht weiß, was sie bewirken, sondern weil er weiß, was sie bewirken. Es unterscheidet sie von dem inzwischen umfänglichen Apparat an Performance-Kunst, der sich damit beschäftigt, Repräsentation zu verweigern, aber die aufgerissene Leerstelle mit Repräsentation füllt. Es unterscheidet sie von vielen mobilen Theatern, die tapfer der Situation „die Bühne fehlt“ trotzen wollen und, gefangen in diesem Trotz, einfach keine den Theatern auf den Bühnen adäquate Qualität erfinden.
In hier bin ich liefern sich fünf Künstler ihrer performativen Idee aus. Sie beschreiben damit das „Ausgeliefert sein“, sie machen daraus einen Vorgang – Theater! – sie machen das fühlbar, sie lassen uns daran teilhaben. Allein, dass sie sich ausliefern, entwickelt diesen Vorgang. Dass ist großartig, denn die Menschen, die man trifft in einer siebten Klasse, sind nicht nur den pädagogischen Ansprüchen der Erwachsenen und den digitalen Verheißungen und Vereinnahmungen der Medien ausgeliefert, sondern auch auf besondere Weise dem Menschsein. Sie stecken in der Pubertät. Ihr Körper verlässt sie, sie verlassen ihren Körper. Noch nie in der Menschheitsgeschichte konnte dieser etwas alberne Seelenzustand ganz genau und richtig beschrieben werden… Nur eins ist und bleibt klar: Man kann sich auf nichts verlassen. Man kichert, weil man heulen möchte, man heult, wenn man lachen muss. Der Körper liefert Hormone, für die die Seele keine Verwendung hat, obwohl auch sie nichts an einem Orgasmus entdecken kann, was schlecht wäre.
Genau in dieser Lebensschieflage, in diese „Verzweiflung“, kommen die monteure in eine siebte Klasse und spielen damit, darum und darüber. Einfach und ehrlich. Spontan, situativ, assoziativ. Das ist eigentlich alles. Aber das ist in diesem Sinne „genial“, dass ich bisher noch nie Erwachsene gesehen habe, die so simpel und ohne, um „Mut zu machen“, ihre eigene Verzweiflung nicht mit selbsterzieherischem Erwachsensein überspielen. Sondern zulassen. Die aber auch nicht diese Verzweiflung einfach thematisieren, Schuld oder Schuldige suchen, sich oder andere entschuldigen wollen. Das ist wohl der psychologische Trick bei dem ganzen Unternehmen: Diese wunderschöne Lebenshaltung macht glücklich. Am Ende war diese siebte Klasse einfach glücklich. Verwirrt, vor lauter Glück. Statt vor Pubertät. Wie schön! Wie einfach!
Und letztendlich ein riesige Bereicherung für das System und den Lebensort Schule: Theater als Baustein kultureller Bildung kann im eigentlichen Sinne ganz und gar pädagogische Arbeit leisten, wenn es seinem Publikum nicht mit einem pädagogischen Ziel (Auftrag) gegenübertritt, sondern als Angebot von Kommunikation über die Ziele. Die Werte, die Hintergründe, die Bedeutung von sich selbst in diesem Kontext. Ich denke, man muss nicht nur Mathe lernen, in dem man es versteht, sondern man muss auch lernen zu verstehen, dass die meisten Menschen keine Mathematiker sind. Und trotzdem existiert Mathematik. Oder Gott. Oder Kunst. Oder Sex. Oder Krieg und Frieden. In hier bin ich nehmen die monteure Pädagogik als Wert an sich, als Partizipation am Erwachsensein, am Menschsein, an Erfahrung. Diese Partizipation macht (ohne ideologische Intention) Mut: Mut aufs Menschsein, auf „Ich-Sein“, auf Erfahrungen sammeln, Entdeckungen machen, auf das Gestalten. Auf Neugier. Es entsteht ein ganz gehörig positives Selbstbewusstsein. Denn jeder fühlt: hier bin ich.
SCHÜLER*INNENSTIMME
Sophie Bronté Reichenberger, Schülerin der 9. Klasse, nach einer Vorstellung in der Freien Waldorfschule Sankt Augustin im Dezember 2013
hier bin ich ist der Titel eines Theaterstücks, das allein aus der Improvisation heraus lebt. Es ist ein Stück, das von spontanen Reaktionen getragen wird und damit selbst einen Rahmen für das Individuum Ich schafft. Darum drehte es sich in diesem Stück.
Schauspieler und Zuschauer (hier: Schüler) befruchteten sich gegenseitig. Der Schauspieler gab beispielsweise einen Satz vor und der Zuschauer (der Angesprochene) antwortete, gab der Handlung seine eigene Dynamik. So wurden die vorgegebenen Fragen durch die Antworten belebt und veränderten die Stimmung im Raum.
Das Ich in verschiedenen Welten und mit verschiedenen Weltanschauungen gezeigt zu bekommen, war eine Interessante und zugleich kuriose Erfahrung. Es ließ dabei Raum, dieses Ich selbst zu lenken. Es eröffnete eine interessante Reise zum eigenen Ich, das sich selbst bestimmt, aber durchaus auch fremd bestimmt ist. So zeigte es, wie Menschen nicht nur an ihren Aufgaben wachsen, sondern auch und vielmehr an ihrem Gegenüber. Mit einer Kamera hätte sich dies nicht einfangen lassen können. Die Schwingfähigkeit des Augenblicks wäre dadurch gestört worden. Der Schauspieler war das Medium, durch das sich der Zuschauer selbst als Medium wahrnehmen konnte. Zugleich spielte der Schauspieler auch mit dem Ich des Zuschauers, setzte es unterschiedlichen, äußeren Reizen aus, schulte seine Wahrnehmung. Beide, Schauspieler und Zuschauer, benahmen sich wie Kinder, die suchen und erforschen, auch wenn sie keine Kinder mehr sind; aber sie bleiben immer auf der Suche nach dem eigenen Ich, dem Ich, das man erst durch den Kontakt mit anderen Menschen als ein im Hier und Jetzt Seiendes wahrnimmt.
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INFOS FÜR LEHRER-/INNEN & VERANSTALTER-/INNEN
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Zielgruppe
Jugendliche ab 12 Jahren
maximal 3 Klassen
Bühne
Die „Bühne“ an sich gibt es nicht. Spielort ist das ganze Klassenzimmer, so wie es ist.
Technik
Wir benötigen keine Technik
Dauer
2 Schulstunden
Im Anschluss bieten wir ein Gespräch in den Klassen an
Gefördert vom Kulturamt der Stadt Köln, dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW und dem Fonds Darstellende Künste e.V.
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